Deutscher Friedensrat e.V.
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Deutscher Friedensrat gewinnt vor
dem Berliner Verwaltungsgericht -
Das Verbot von Hisbollah-Fahnen und
Nasrallah-Portraits war illegal

 

... Fortsetzung:
Entscheidungsgründe

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich auch keine andere Einschätzung aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Behandlung mehrdeutiger Aussagen bei zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen. Diese lässt sich auf das präventive versammlungsrechtliche Handeln der Polizei nicht übertragen. Sie bezieht sich auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht und hält die Obliegenheit zur Klarstellung mehrdeutiger Äußerungen für die Zukunft für zumutbar, weil damit keine Einschüchterungswirkung für den sich Äußernden verbunden sei. Hier geht es dagegen um die Prognose, ob durch Meinungsäußerungen während einer Ver­sammlung Straftaten begangen werden. Soweit bei mehrdeutigen Äußerungen keine Strafbarkeit anzunehmen ist, kann die präventive Zielrichtung des versammlungsbehördlichen Handelns nicht zu einer Ausdehnung der Eingriffsbefugnisse führen, indem im Vorhinein Äußerungen unterbunden werden dürften, die sich im Nachhinein als nicht strafbar heraus­stellen. Würde bei jedem Zeigen eines Symbols oder einer Fahne zugleich eine ausdrückliche Klarstellung verlangt, dass dies nicht die Billigung jeglicher Handlung, insbesondere von Straftaten des Staates oder der Organisation bedeutet, so würde dies zu einer massiven Beschränkung der Meinungsfreiheit führen.

Ein Verbot der Symbole der Hizbollah und des Bildes von Nasrallah kann auch nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung gestützt werden. Zwar können sich Schranken der Meinungsfreiheit aus kollidierenden Grundrechten und damit aus der Verfassung selbst ergeben. Die öffentliche Ordnung ist aber keine derartige Grundrechtsschranke (BVerfGE 111, 149). Soweit verfassungsunmittelbare Schranken von Grundrechten anzuerkennen sind, ermöglichen sie zwar Freiheitsbeschränkungen; ihre Konkretisierung aber unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie bedürfen daher einer gesetzlichen Grundlage, für die die Gene­ralklausel der öffentlichen Ordnung nicht ausreicht.

Zwar hat die Kammer in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 25. Oktober 2006 - VG 1 A 288.06) zu Demonstrationen von Ausländern erwogen, ob die gesetzliche Wertung des § 47 AufenthG (früher § 37 AusIG) bei der Auslegung des § 15 Versammle herangezogen wer­den kann. Die ausländerrechtlichen Vorschriften erlauben es, die politische Betätigung von Ausländern in Deutschland zu beschränken, insbesondere um das friedliche Zusammenle­ben von Deutschen und Ausländern zu schützen und um die öffentliche Befürwortung von Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange zu unterbinden. Diese Vorschrift gilt aber nicht für Deutsche. Vor dem-Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nach Auffassung des Gerichts eine Berücksichtigung des Schutzgutes des § 47 AufenthG im Rahmen der öffentlichen Ord­nung im Sinne von § 15 VersammIG zur Beschränkung der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen ohne gesetzliche Grundlage nicht zulässig. Die Kammer hat darüber hinaus bereits in einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 10. März 2000 - VG 1 A 81.00 - Marsch von Neonazis durch das Brandenburger Tor) festgestellt, dass der Umstand, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland Schaden nehmen könnte, keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit zu rechtfertigen vermag.

Die Berufung des Beklagten auf das völkerrechtliche Interventionsverbot und des Klägers auf das Neutralitätsgebot überdehnen die Reichweite völkerrechtlicher Regelungen. Das Inter­ventionsverbot verbietet dem Staat ein gewaltsames, nicht von der UNO gedecktes Eingreifen in die Belange anderer Länder sowie die unzulässige Ausübung insbesondere wirtschaft­lichen Zwangs. Eine Pflicht zum Verbot friedlicher Versammlungen, die für einen der an einem Krieg Beteiligten Partei ergreift, folgt daraus nicht. Das völkerrechtliche Neutralitätsverbot verbietet umgekehrt nicht ein Einschreiten des Staates gegen Symbole einer an einer kriegerischen Auseinandersetzung beteiligten nichtstaatlichen Organisation, wenn deren Unterstützung nach innerstaatlichem Recht nach den oben zitierten Vorschriften strafbar wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verb, mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

 

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