... Fortsetzung:
Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich
auch keine andere Einschätzung aufgrund der oben zitierten
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Behandlung
mehrdeutiger Aussagen bei zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen.
Diese lässt sich auf das präventive versammlungsrechtliche Handeln der
Polizei nicht übertragen. Sie bezieht sich auf eine Abwägung zwischen
Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht und hält die
Obliegenheit zur Klarstellung mehrdeutiger Äußerungen für die Zukunft
für zumutbar, weil damit keine Einschüchterungswirkung für den sich
Äußernden verbunden sei. Hier geht es dagegen um die Prognose, ob durch
Meinungsäußerungen während einer Versammlung Straftaten begangen
werden. Soweit bei mehrdeutigen Äußerungen keine Strafbarkeit
anzunehmen ist, kann die präventive Zielrichtung des
versammlungsbehördlichen Handelns nicht zu einer Ausdehnung der
Eingriffsbefugnisse führen, indem im Vorhinein Äußerungen unterbunden
werden dürften, die sich im Nachhinein als nicht strafbar
herausstellen. Würde bei jedem Zeigen eines Symbols oder einer Fahne
zugleich eine ausdrückliche Klarstellung verlangt, dass dies nicht die
Billigung jeglicher Handlung, insbesondere von Straftaten des Staates
oder der Organisation bedeutet, so würde dies zu einer massiven
Beschränkung der Meinungsfreiheit führen.
Ein Verbot der Symbole der Hizbollah und des Bildes
von Nasrallah kann auch nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen
Ordnung gestützt werden. Zwar können sich Schranken der
Meinungsfreiheit aus kollidierenden Grundrechten und damit aus der
Verfassung selbst ergeben. Die öffentliche Ordnung ist aber keine
derartige Grundrechtsschranke (BVerfGE 111, 149). Soweit
verfassungsunmittelbare Schranken von Grundrechten anzuerkennen sind,
ermöglichen sie zwar Freiheitsbeschränkungen; ihre Konkretisierung aber
unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie bedürfen daher einer
gesetzlichen Grundlage, für die die Generalklausel der öffentlichen
Ordnung nicht ausreicht.
Zwar hat die Kammer in einer früheren Entscheidung
(Urteil vom 25. Oktober 2006 - VG 1 A 288.06) zu Demonstrationen von
Ausländern erwogen, ob die gesetzliche Wertung des § 47 AufenthG
(früher § 37 AusIG) bei der Auslegung des § 15 Versammle herangezogen
werden kann. Die ausländerrechtlichen Vorschriften erlauben es, die
politische Betätigung von Ausländern in Deutschland zu beschränken,
insbesondere um das friedliche Zusammenleben von Deutschen und
Ausländern zu schützen und um die öffentliche Befürwortung von
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser
oder sonstiger Belange zu unterbinden. Diese Vorschrift gilt aber nicht
für Deutsche. Vor dem-Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist nach Auffassung des Gerichts eine
Berücksichtigung des Schutzgutes des § 47 AufenthG im Rahmen der
öffentlichen Ordnung im Sinne von § 15 VersammIG zur Beschränkung der
Zulässigkeit von Meinungsäußerungen ohne gesetzliche Grundlage nicht
zulässig. Die Kammer hat darüber hinaus bereits in einer früheren
Entscheidung (Beschluss vom 10. März 2000 - VG 1 A 81.00 - Marsch von
Neonazis durch das Brandenburger Tor) festgestellt, dass der Umstand,
dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland Schaden
nehmen könnte, keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit und der
Meinungsfreiheit zu rechtfertigen vermag.
Die Berufung des Beklagten auf das völkerrechtliche
Interventionsverbot und des Klägers auf das Neutralitätsgebot
überdehnen die Reichweite völkerrechtlicher Regelungen. Das
Interventionsverbot verbietet dem Staat ein gewaltsames, nicht von der
UNO gedecktes Eingreifen in die Belange anderer Länder sowie die
unzulässige Ausübung insbesondere wirtschaftlichen Zwangs. Eine
Pflicht zum Verbot friedlicher Versammlungen, die für einen der an
einem Krieg Beteiligten Partei ergreift, folgt daraus nicht. Das
völkerrechtliche Neutralitätsverbot verbietet umgekehrt nicht ein
Einschreiten des Staates gegen Symbole einer an einer kriegerischen
Auseinandersetzung beteiligten nichtstaatlichen Organisation, wenn
deren Unterstützung nach innerstaatlichem Recht nach den oben zitierten
Vorschriften strafbar wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1
VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167
VwGO in Verb, mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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