... Fortsetzung:
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung
von Äußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst wird (vgl. Be-schluss
vom 7. April 2001-1 BvQ 17/01 und 18/01 - NJW 2001, 2072). Bei der
Auslegung müssen ausgehend vom Wortlaut auch der Kontext und die
sonstigen Begleitumstände einer Äußerung beachtet werden (ständige
Rechtsprechung des BVerfG, u.a. BVerfGE 82, 43, 52 f. und 93, 266, 295
f.). Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des
sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung
Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines
unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl.
BVerfGE 93, 266, 295). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden (vgl.
a.a.O., S. 296). Urteile über den Inhalt von Meinungsäußerungen, die
deren Sinn erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung
stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Ist der
Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der
weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein
unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als
mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den
Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem
mehrdeutigen Inhalt auszugehen. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für
die Deutung mehrdeutiger Tatsachenbehauptungen oder Werturteile
unterscheiden sich je nachdem, ob die nachträgliche Sanktionierung
schon erfolgter Äußerungen oder allein deren zukunftsgerichtete Abwehr
in Frage steht (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 BvR 49/00 u.a. -
NJW 2006, 3769). Soweit es um die strafrechtliche Würdigung geht, ist
das Grundrecht der Meinungsfreiheit verletzt, wenn bei mehrdeutigen
Äußerungen nur die zur Strafbarkeit führende Bedeutung zu Grunde gelegt
wird, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren
Gründen ausgeschlossen zu haben (BVerfGE 85,1, 13 f; 93, 266, 295 f.;
94, 1, 10 f.; 107, 275, 281 f.). Mehrdeutige Äußerungen sind dagegen
anders zu behandeln, soweit über einen zivilrechtlichen Anspruch auf
deren zukünftige Unterlassung entschieden wird. In solchen Fällen wird
die Meinungsfreiheit nicht verletzt, wenn von dem Betroffenen im
Interesse des Persönlichkeitsschutzes anderer verlangt wird, den Inhalt
seiner mehrdeutigen Aussage gegebenenfalls klarzustellen. Anders als
bei straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen, die nachträglich an eine
schon gefallene Äußerung anknüpfen, ist ein den Prozess freier
Meinungsäußerung und -bildung beeinträchtigender
Einschüchterungseffekt durch diese Anforderungen an den sich Äußernden
nicht zu erwarten (BVerfGE 114, 139). Erfolgt keine Klarstellung, so
sind sämtliche nicht fern liegenden Deutungsmöglichkeiten zu Grunde zu
legen, und es ist zu prüfen, ob die Äußerung in einer oder mehrerer
dieser Deutungsvarianten zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts führt (BVerfG, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es
sich beim Zeigen von Symbolen und Fahnen der Hizbollah und von Bildern
ihres Generalsekretärs Nasrallah im Kontext einer Demonstration während
des letzten Libanon-Krieges vom 12. Juli bis 14. August 2006 um eine
Meinungsäußerung, die keinen Straftatbestand erfüllt und die nicht
hätte verboten werden dürfen.
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